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Alltag im Callcenter

Wie ist in einem Callcenter zu arbeiten, diese Frage stellen sich wohl viele, die es noch nicht ausprobieren wollten oder nicht mussten. Es gibt verschiedene Arten von Callcenter, aber alle sind den Dienstleistungssektor zuzuordnen. Die Beschäftigungart unterscheidet sich durch Outbound und Inbound. Outbound ist die beliebtere Art in der Bevölkerung, denn da wird wann aktiv zuhause angerufen (oder belästigt), dies hängt von der Betrachtungsweise ab. Auch bei dieser Tätigkeit gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, man kann verkaufen, beraten, Termine vereinbaren, Umfragen starten und Marktanalysen machen. Inbound ist normalerweise Kundendienst aller Art, oder Beratung, bei dieser Tätigkeit wird man vom Kunden angerufen. Dies ist wohl auch die bevorzugte Telefonarbeit in der Bevölkerung. Aber wie sieht dies in der Praxis aus?

Ich arbeitete 1 ½ Jahre Outbound bei einem Marktforschungsinstitut und vier Monate Inbound im Auftrag von Cablecom. Im Bereich Verkauf habe ich bis jetzt nicht gearbeitet. Die Arbeitsbedingungen sind in der ganzen Branche schlecht, die Löhne mit ein paar Ausnahmen wie bei der Postfinance oder auch. Meistens bewegen sich die Löhne zwischen Fr. 16 - 25.00 Fr (wenn man Glück hat) Inbound ist generell ein bisschen besser bezahlt, weil es oft anspruchsvoller und stressiger ist. Es ist wohl die Fabrikarbeit der Neuzeit. In vielen Betrieben sind die Pausenregerlungen ungenügend, es herrscht ständige Kontrolle und der Lohn ist an eine Leistungskomponente geknüpft.

Die Arbeitsplätze sind meistens in Grossraumbüros und sehr schlecht eingerichtet. Ständig beobachten und kontrollieren einem sogenannte Supervisoren, hat man dann Fragen sind lange nicht alle so Auskunftsfreudig wie kontrollwahnsinnig Sie sind. Was für eine wunderbare Aufstiegchance so ein Job doch beinhaltet, und meist für nur einen Bruchteil mehr Geld. Nicht einmal normal auf das WC kann man während der Arbeitszeit, nein es wird einem sogar an der Pausenzeit abgezogen. Wenn jemand zum Dünnschiess hat, muss er dies dem Teamleader oder Supervisoren (liebe diese sinnigen englischen Titel) noch sagen, damit er dann überhaupt noch in die Pause gehen darf. Für 5 Minuten Pause (länger sollte man eh nicht am Stück gehen), muss man noch um Erlaubnis mit einem Pausentool erfragen.

Beim Cablecom wird man dann noch dauernd am Telefon beschimpft und kann den Kunden mangels erlaubten Kompetenzen und Möglichkeiten nicht einmal weiterhelfen. 20 min Donnergewitter eines verärgerten Kunden ist absolut keine Seltenheit sondern an der Tagesordnung. Beim einem Outbound-Job wird man nur schnell angemotzt, wieso rufen sie an und dann ist normalerweise das Gespräch schon beendet. Dies empfinde ich wenigstens als viel angenehmer.

Meistens ist man auf Abruf angestellt oder auf Stundenlohnbasis. Bei der Telag wurden viele Festangestellte zugunsten von temporär Arbeitenden entlassen. So eine Entlassungswelle erfolgte gerade, als ich dort anfing zu arbeiten.

QM

Ein weiterer Aspekt ist die Qualitätskontrolle der Gespräche und das einhalten der sogenannten Quoten. Bei Umfragen muss man ein Mindestmass an erfolgreich abgeschlossenen Interviews haben, oder bei anspruchsvolleren wiederkehrenden Studien (wie Haushaltpanel oder soziologischen Studien), dürfen bespielsweise nur 20 % von den Leuten nicht mitmachen, d.h. 70-80 % sollten mitmachen und dies jahrelang normalerweise. Dann gibt es auch Personen, die dann den Leuten noch einmal anrufen, welche nicht mitmachen wollten. Also anders gesagt, man terrorisiert die Zielpersonen, und muss ihn mit seinen besten Argumenten klar machen, wie wichtig es doch sei, an dieser Studie mitzumachen. Argumentieren ist auch ein so schöner Begriff. Da hat man vorgedruckte Sätze, die man dann überzeugend vortragen muss, damit die schon sehr genervte Person, dann doch mitmacht. Leute welchen bei solchen Studien fast gezwungen werden mitzumachen werden dann ein Leben lang verfolgt, auch wenn sie ausziehen oder einen neuen Haushalt gründen, die Haushaltpanel-Studie verfolgt sie überall hin. Da hilft nur, Flucht ins Ausland. Mallorca einfach am besten.

Weiter muss man die Studie so vorlesen, genau wie es auf dem Bildschirm steht und seien die Fragen noch so doof, und hat man die Person dann zum 10 mal gefragt, ob sie Lohnbezüger ist, kommt man vielleicht dann in der vorgegebenen Zeit zum Schluss. Schliesslich könnte man die Studie verfälschen und suggestiv beantworten (dies ist strengstens verboten), obwohl ja eigentlich klar, die Person ist Lohnbezüger. Zeitliche, inhaltlichen, quotliche Kontrollen sind an der Tagesordnung . Die Befragen kontrolliert durch den Arbeitgeber und den Auftraggeber zusätzlich. Viele Mitarbeiter passen sich dem allem an und sind dann noch stolz auf ihre besten Quote, oder konkurrenzieren mit den anderen Betrager, wer am meistens interviews macht. Traurig ist mit anzuschauen, wieviele Leute sind den Leistungsorientierten Kapitalismus schon verinnerlicht haben. Um welchen Preis?

Bei Inbound-Gesprächen kommt es auch wieder auf die Qualität der Beratung und der Gespräche drauf an und wieder gibt es ein Zeitdrucksystem, man sollte für ein Gespräch nicht länger als 2 Minuten haben. Dann gibt es ein Gesprächsbewertungsleitfaden, den man einzuhalten hat und viele Wörter aus dem normaler Vokabular nicht benutzen darf wie( jawohl nicht okay, anstatt nachschauen überprüfen usw,), und man muss auch noch probieren ein zusätzliches Produkt zu verkaufen). Man lügt die Kunden an, beispielsweise man arbeitet für Cablecom in Otelfingen, aber eigentlich arbeitet man für Telag in Biel. Dann tut man so, als wäre man physisch an einem anderem Ort, spricht von einer Firma, die man nicht kennt, und muss sich irgengwie herausreden, wieso man das Fax nicht erhalten, welchen nach Otelfingen ging und nicht nach Biel. Kunden kann man nur vertrösten, man darf sie keinesfalls an die zuständigen Leute weiterverbinden. Man schaut auf eine korrekte Begrüssung, Verständnis des Anliegen des Kundens, man muss sein Anliegen zusammenfassen und wiederholen, Problembehandlung, Zufriedenheit des Kunden, der WOW-Effekt (wenn ein kunde total zufrieden mit der Beratung), Ich musste 5 Programme gleichzeitig bedienen und wieder so vielen Passwörter und einem System das dauernd abstürzt. Die Software ist alles andere als Benutzerfreundlich. Macht man ein Fehler ist der Agent schuld, und sicherlich nicht die Software oder die Umstände. Wenn man 85 % von all diesen Punkten erfüllt hat, bekommt man einen Leistungslohnzusatz von Fr. 400.--, wobei dieses Geld gerade dazu da ist einen Minimalstlohn zu einem Minimallohn zu verbessern. Auch gibt es ein Belohnungssystem für ehrgeizige Leute, indem seine Verkäufe sogenannt (Leads wieder diese tollen englischen Ausdrücke erfassen konnte..es gibt Fr. 9.-- pro Verkauf, wieder aber nur ausbezahlt, wenn es mindestens 5 oder 6 sind. Dies nennt sich Leadgeneration, und lässt fleissige kapitalistische Mitarbeitern, mittels Konkurrenz- und Geldfeeling das Herz höher schlagen. An Weihnachten wurde das ganze getoppt durch eine Weihnachstverlosung, bei der man I-Pods und lauter anderer sonstiger lustigen Sachen gewinnen konnte.

Ein Hoch auf die Callcenter-Welt..Man macht etwas, aber doch nichts Richtiges. Noch zu erwähnen gilt auch, Arbeit auf Abruf, man wird heimgeschickt, wenn es zuwenig Arbeit gibt. Die Fluktuation in dieser Branche ist sehr hoch, aber in der heutigen Zeit, gibt es immer genug verzweifelte Menschen, die keine bessere Arbeit finden (da arbeiten Leuten ohne Ausbildung, bishin zu Akademiker in allen Alterskatergorien). Falls man immernoch nicht genug Personal vorhanden, kann man sich immernoch ans RAV wenden, die helfen gerne, mit ihrem Mittel die zur Verfügung stehen. In diesem Bereich haben sie einen grossen Handlungsspielraum, denn die Massnahmen für nicht gehorsame Arbeitslose sind vielseitig, Taggeldkürzungen, Motivationssemester, Verkaufsberatungskurse, Beschäftigungsprogramme, Arbeitstauglichkeitsabklärungen, Bewerbungskurse, IV-Abklärung, Kompetenzentrum Arbeit um nur einige zu nennen. Den geeigneten Job muss man schon selber finden, den es existieren nicht für alle vorgefertigte Lösungen., Zitat Herr Egli, Kompetenzzentrum Arbeit Bern Lorraine. Oder man muss halt über Umwege sein Ziel erreichen ebenfalls eine Lebensweisheit des Herrn.

Diese Situation erleichtert es natürlich für jedes Callcenter, immer genug Neues Personal zu haben.

Schulung

Dies wird man auch, je nach Job. Bei Cablecom oder technischem Support erhält man meistens eine 2-4 wöchige Schulung, welche oft nicht ausreicht. Bei anderen Anbieter wie (Spendenhilfsdienst in Namen von Greenpeace, Swissaid, WWF und anderen), ist die viertätige Abendschulung sogar unbezahlt, bei Link die Einarbeitungsschulung auch, bei Omnicon, 3 nachmittägliche Schulung auch gratis..Bei MIS Trend Schulung abends nur bei soziologischen Studien, etwa 2 Abende bezahlt. Allgemein gibt es keine offizielle Ausbildung, wie es früher noch die Telefonistin bei der PTT 111 gab, ersetzt durch unausgebildete Leute bei Conduit SA, auch unter massivem Leistungsdruck und nicht gerade tollen Lohn von etwa Fr. 20.-- in der Stunde. Immer wie mehr wird qualifiziertes Personal im Dienstleistungssektor, durch Call-Center-Aufträge ausgesourct Auf Kosten vom Personal und der Qualität.

Habe einen gewissen Einblick bekommen, habe mich vielen Orten beworben und auch vorgestellt. Die Anforderungen sind hoch, oft verlangt man 3 Fremdsprachen fliessend. Bei der Omnicon (Verkauf von Fischkapseln und DVDs), soll man sogar ritterlich und mit einem Lächeln in der Stimme klingel. Nach einem Tag Schulung hatte ich genug.

Gewerkschaft

Die GeKO nimmt gerne Anliegen zu Callcenter entgegen, aber für Nichtmitglieder passiert nicht viel. Die Leute lassen sich kaum mobilisieren für einen Arbeitskampf. Sie setzen auf die Geschäftleitung, welche Ihnen der gute Chef vorgaukelt oder glauben ans das Leistungslohnprinzip oder sind verängstigt oder unter Druck etwas zu verändern. Immerhin bei Sunrise gab es vor ein paar Jahren in der Schweiz einen Streik. Die GeKo wird irgendeinmal einen Gesamtarbeitsvertrag durchsetzen mit den Callcenter, die sich in dem Dachverband Calnet engagieren. Für Leute aus dem Bereich telefonische Marktforschung gibt es bis jetzt gar keine Ansätze gewerkschaftlicher Arbeit. Dies sollte verändert und verbessert werden. Aber wie??

Intern

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